ANDREAS KOLLER

Die Bundesregierung versucht in diesen Tagen, die Ã?sterreicherinnen und Ã?sterreicher einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Als Exerzierfeld für diese Ã?bung hat sie sich ausgerechnet jenen Politikbereich ausgesucht, an dem – dies versichert zumindest die Bundesregierung tagaus, tagein – unser aller Zukunft hängt: Die Bildungspolitik.

Sie “habe dieses Interesse erwartet”, sagte Wissenschaftsministerin Elisabeth Gehrer am Dienstag angesichts des Massenandrangs deutscher Studenten, der nach dem EuGH-Urteil über die Uni-Zugangsbeschränkungen an unseren Universitäten für Chaos sorgt.

Vorsicht, Gehirnwäsche! In Wahrheit hat die Ministerin noch vor kurzem der �ffentlichkeit weisgemacht, dass das allseits befürchtete EuGH-Urteil möglicherweise gar nicht kommen werde.

Die Universitäten hätten ohnehin genug Zeit gehabt, sich auf das EuGH-Urteil einzustellen, sagte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Donnerstag im “Standard”.

Vorsicht, Gehirnwäsche! In Wahrheit hat die Regierung monatelang den Dialog mit den Rektoren verweigert. Erst nach (!) dem Luxemburger Richterspruch, als bereits die Numerus-clausus-Flüchtlinge vor den Toren standen, hat die Koalition in aller Hektik ein Gesetz durchs Parlament gejagt, das die Universitäten zu Ma�nahmen gegen den Ansturm ermächtigt.

Und spätestens, wenn Schüssel hinzufügt, dass “nur ein Prozent der österreichischen Studenten” von der Misere betroffen sei, weswegen die Medien gefälligst ihre “Kriegsberichterstattung” von den Unis einstellen sollten, wird die Gehirnwäsche zum Vollwaschgang. Ist eh alles nicht so schlimm. Und wenn, dann sind die Zeitungen schuld daran.

Der Versuch des Kanzlers und der Bildungsministerin, ein Chaos, das sie durch ihre politischen Versäumnisse verschuldet haben, für nicht existent zu erklären, ist nicht bloÃ? ärgerlich. Er ist schandbar. Schüssel und Gehrer sind, allen Warnungen zum Trotz, sehenden Auges in das Uni-Chaos geschritten. Sie haben zu keiner Stunde ernsthaft versucht, ihre EU-Kollegen zu einer konzertierten Zulassungspolitik zu bewegen. Sie haben zu keiner Stunde ernsthaft versucht, die Universitäten fit für den freien europäischen Hochschulmarkt zu machen. Statt dessen haben sie das Problem, das Ã?sterreich mit seinen diskriminierenden Zulassungsbedingungen hatte, ignoriert – und wollen die Konsequenzen dieser Ignoranz nun wegreden. Damit den Wählerinnen und Wählern verborgen bleibt, dass die Koalition auf diesem nicht ganz unwesentlichen Politikfeld versagt hat.

Die Politik entlieÃ? die Universitäten in die Autonomie – doch nicht, um deren Selbstständigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, sondern um nicht länger für deren Probleme verantwortlich zu sein.

Die Politik bürdete den Studenten Studiengebühren auf – doch nicht, um damit bessere Studienbedingungen zu finanzieren, sondern um Budgetlöcher zu stopfen.

Die Bildungsministerin träumte noch vor kurzer Zeit öffentlich von Weltklasse-Unis und Elitenbildung – doch heute werden Medizinstudenten in Wien nach dem unintelligentesten aller Aufnahmeprinzipien (“first come, first serve”) ausgewählt. Andere Unis verteilen die Studienplätze nach dem Zufallsprinzip. Wer vor dem EuGH-Urteil erschien, hat Glück gehabt, wer danach kam, Pech. Und der Kanzler? Er spricht in diesem Zusammenhang – Vorsicht, Gehirnwäsche! – von “Qualitätsauslese”.

Unser Land hat keine Zukunft, wenn es unserer Jugend nicht die bestmögliche Bildung angedeihen lässt. Das wissen die zuständigen Regierungsmitglieder nicht nur, das sagen sie auch bei jeder Gelegenheit.

Vorsicht, Gehirnwäsche! In Wahrheit haben sie die österreichische Bildungspolitik in eine Baustelle verwandelt, der die Baumeister und die Baupläne, der Geist und das Geld fehlen.

© SN.

Source: Salzburger Nachrichten